Die unglaubliche Stärke einer Neunjährigen

Die unglaubliche Stärke einer Neunjährigen


Blickpunkt Bethlehem, Nr. 66 - Thema

Mteira wird im Kinderspital Bethlehem untersucht. Ihre Diabetes-Erkrankung erfordert regelmässige Kontrollen (oben).

Fotos: © Nureen Kaoud

 

Mteira wohnt im Westjordanland in einer armen Familie, die vom Verkauf von Milch und Käse lebt. Als auf einmal Müdigkeit und Schwäche das Mädchen befallen, stellt das Kinderspital Bethlehem die rettende Diagnose. Dank einer gezielten Behandlung meistert Mteira ihre Krankheit und kann wieder zur Schule.


So flink sind die Ziegen. Sie wissen genau, wann sie einen Fluchtversuch nur antäuschen müssen und wie sie dem Fänger entkommen. Aber Mteira entkommen sie nicht. Das Mädchen ahnt schon vorab, was die Ziege plant. Intuitiv, mit wenigen effizienten Schritten und Griffen hat sie das Tier sofort im Griff. Wehren tut es sich nicht mehr in den Armen von Mteira, denn sie kennen einander.

Das Dorf Arab ar-Rashaydeh, in dem Mteiras Familie lebt, liegt weit entfernt von jeglicher städtischer Versorgung. Die Familie erhält ein karges Einkommen aus dem Verkauf von Milch und Käse. Da der Vater nach einer Herzoperation nicht mehr richtig arbeiten kann, müssen auch Mteira und ihre Geschwister bei der landwirtschaftlichen Arbeit mit anpacken.
 

Der Arzt in Bethlehem stellt eine eindeutige Diagnose

Doch vor drei Monaten war Mteira kaum mehr dazu in der Lage. Schläfrig taumelte sie durch den Tag, immerzu müde. Die Ziegen tanzten ihr auf der Nase herum. Wenn sie sich ihnen näherte, sprangen sie mit einem höhnischen Meckern an ihr vorbei. Was war bloss los mit ihr? Mteiras Mutter sah, wie das Kind immer mehr an Gewicht verlor, und beschloss, ins Kinderspital nach Bethlehem zu fahren.

Die Diagnose des Kinderarztes war eindeutig: Bei Mteira wurde eine Diabetes Typ I festgestellt. Das kleine Mädchen wird von nun an stets Medikamente benötigen, denn «Kinder mit Diabetes müssen sofort mit Insulin versorgt werden», so Dr. Abdulsalam Abu Libdeh, Facharzt für pädiatrische Endokrinologie. Aber dazu ist die Familie finanziell nicht in der Lage, denn sie lebt bereits am Rand des Existenzminimums in zwei bescheidenen Zimmern. Deshalb wandte sich Mteiras Mutter an den Sozialdienst des Kinderspitals, um Unterstützung für die Behandlung ihrer Tochter zu erhalten.

 

Hilfe für die Ärmsten

Im Kinderspital Bethlehem wurde dem Mädchen genau erklärt, wie sie sich das Insulin selber spritzen kann und darüber Buch führen muss. Bei diesen Aufgaben ist die Neunjährige auf sich allein gestellt, denn ihre Familie ist mit dem Haushalt und der Landwirtschaft hoffnungslos überlastet.

Seit Beginn der Behandlung hat das schüchterne Mädchen wieder merklich an Kraft gewonnen. Mteira übernimmt mehr, als man von einem Mädchen ihres Alters erwarten darf. Die Müdigkeit, die sie sich eigentlich gar nicht leisten kann, hat Mteira abgeschüttelt und versorgt nun sich selbst, die Ziegen und hilft ihrer Mutter auch noch im Haushalt. Zusätzlich bringt sie wieder gute Schulnoten nach Hause, vor allem in ihren Lieblingsfächern Arabisch und Englisch.

Die Lebensumstände von Mteira bleiben schwierig. Doch dank der Betreuung durch das Kinderspital Bethlehem hat das Mädchen wieder Kraft und Lebensqualität gefunden. 

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