Karmel bringt Licht ins Leben ihrer Familie

Karmel bringt Licht ins Leben ihrer Familie


Weihnachtsgeschichte 2025

Fotos: © Andrea Krogmann

Karmel Odeh lacht viel und hat gut lachen: Das 14 Monate alte Mädchen mit Down-Syndrom wurde in liebevolle Arme geboren. Das und die professionelle medizinische Unterstützung im Caritas Baby Hospital helfen ihr, sich bestmöglich zu entwickeln. Für die gesundheitlichen Herausforderungen, die mit der Gen-Anomalie einhergehen, finden Karmel und ihre Familie im Kinderspital den besten Ansprechpartner.

Eine Reportage von Andrea Krogmann.

Physiotherapeutin Lubna Abu Sa'da ist zufrieden. Die Bewegungsabläufe von Karmel haben sich deutlich verbessert. Mit Mutter Amal übt sie gezielt Bewegungen, um Karmels motorische Fähigkeiten zu stärken. «Amal ist vorbildlich und übt zuhause regelmässig mit ihrer Tochter», lobt Abu Sa'da die Mutter.

Karmel hat Trisomie 21, einen genetischen Defekt, der auch als Down-Syndrom bekannt ist. Fast immer geht er mit einer Verzögerung der körperlichen und geistigen Entwicklung einher, die durch Frührehabilitation deutlich verbessert werden kann. Physiotherapie zum Beispiel: Je früher die Muskeln trainiert werden, umso besser.

«Kinder mit Down-Syndrom werden schneller krank und brauchen im Krankheitsfall länger, um sich zu erholen», erklärt Dr. Ra’fat Allawi. Der Facharzt für Lungen- und Atemwegserkrankungen ist seit einem Jahr Chefarzt des Caritas Baby Hospital. Dr. Allawi behandelt auch Karmel, die schon seit dem Säuglingsalter im Kinderspital in Bethlehem betreut wird.

Auch er ist zufrieden mit seiner kleinen Patientin: «Karmel ist stark. Anders als viele Kinder mit Trisomie 21 hat sie keine ausgeprägte Muskelschwäche, und auch ihre Entwicklung ist schneller.»

Eine unerwartete Diagnose

Als Karmel im Mai 2024 geboren wurde, ahnten ihre Mutter Amal (36) und ihr Vater Ziad (46) nichts von der Besonderheit ihres vierten Kindes. Die Schwester von Aya (17), Mohammed (15) und Zeina (13) wurde mit 47 Chromosomen statt der üblichen 46 geboren. Das Chromosom 21 hat Karmel statt doppelt gleich dreimal. Zwar habe die Gynäkologin während der Schwangerschaft kurz den Verdacht auf die Anomalie gehegt. Ein Screening habe aber keine Auffälligkeiten gezeigt.

Die Überraschung kam erst bei der Geburt. Karmel kam im öffentlichen Spital in Beit Jala zur Welt. Das Baby sei «sehr müde nach der Geburt» gewesen, erinnert sich die Mutter. Vier Tage später informierten die Ärzte sie über den Gesundheitszustand der neugeborenen Tochter. Die Mutter reagierte überrascht, aber nicht schockiert. «Ich habe sie gleich unterbrochen und gesagt, dass ich weiss, was Down-Syndrom bedeutet und dass ich dankbar bin für dieses Kind», sagt Amal Odeh.

Sie übernahm es auch, ihrem Mann die genetische Anomalie zu erklären. Bei den Kindern sei nicht einmal das nötig gewesen, lacht Amal: «Sie sagten: Das haben wir in der Schule gelernt. Sie hat halt ein Chromosom mehr.»

Mit den Risiken des Down-Syndrom leben

Die erste Säule für ein möglichst normales Aufwachsen mit Trisomie 21 ist die liebevolle Akzeptanz ihrer Eltern und Geschwister. Die zweite Säule ist eine umfassende, professionelle medizinische Begleitung, denn der genetische Defekt geht häufig mit einem erhöhten Risiko von angeborenen Fehlbildungen und Erkrankungen einher. Besonders Atemwegserkrankungen und eine höhere Infektanfälligkeit, aber auch Herzfehler gehören dazu. Hier kommen die Fachleute vom Caritas Baby Hospital ins Spiel.

Eine Lungenentzündung, ausgelöst durch eine Virusinfektion, brachte Karmel mit sieben Monaten erstmals ins Kinderspital Bethlehem. «Drei Tage Intensivstation, dann Beatmung durch ein Atemtherapiegerät, dann Physiotherapie, insgesamt einen Monat auf Station. Das war eine harte Zeit», erinnert sich die Mutter.

Wegen ihres geschwächten Immunsystems musste das Baby zeitweise in ein Isolierzimmer verlegt werden. Dort zeigten sich Belastungen von Herz und Nieren. Mit elf Monaten führte eine zweite Brustinfektion zu einem weiteren Spitalaufenthalt. «Aus ihren Herz- und Nierenproblemen ist Karmel inzwischen herausgewachsen», erklärt Dr. Allawi. Der Spezialist für pädiatrische Pneumologie ist zuversichtlich, dass sie auch die Lungenprobleme in den Griff bekommen.

Seit dem ersten Spitalaufenthalt ihrer Tochter ist Amal in Kontakt mit den Profis im Caritas Baby Hospital. Mit manchen hat sie eine Chat-Gruppe für einen schnellen Austausch. Zwischen Spitalbesuchen konsultiert sie die Ärzte telefonisch. «Die Beziehung zum Spital-Team ist sehr gut», sagt Amal.

Die Unterstützung, die sie bekomme, tue ihr gut, sagt die vierfache Mutter. Vor allem während des stationären Aufenthalts der Tochter habe das Team ihr Ruhephasen verschafft: «Wenn ich müde war, haben sie mir Karmel abgenommen. Wenn sie geweint hat, haben sie das Baby beruhigt.»

Wissen wandert von Mutter zu Mutter

Aus dieser Zeit, aber auch aus Physio- und Ergotherapie hat die Mutter wertvolle Alltagshilfen mitgenommen. «Ich habe gelernt, wie ich Karmel am besten trage, wie ich sie füttere und wie ich sie beim Essen- und Laufenlernen unterstütze», so Amal.

Was Amal im Kinderspital gelernt hat, gibt sie mit Begeisterung an andere Mütter weiter. An die Mutter von Sarah zum Beispiel, einem Mädchen mit einer stärker ausgeprägten Form von Trisomie 21. Seit ihrer Begegnung im Caritas Baby Hospital unterstützt Amal sie regelmässig.

«Amal ist beeindruckend. Sie ist gut informiert und eine sehr selbstbewusste Mutter», sagt Jessica Handal, die Sozialarbeiterin des Kinderspitals, welche die Familie seit Karmels zweitem Spitalaufenthalt betreut.

Langjähriges Vertrauen zum Spital

Das Vertrauen der Odehs in das Caritas Baby Hospital ist gross. Das Spital begleitet die Familie aus Artas, wenige Kilometer südwestlich von Bethlehem, schon seit fast zwei Jahrzehnten.

Die älteste Tochter Aya kam zu früh auf die Welt und verbrachte die ersten beiden Wochen ihres Lebens im Kinderspital. Jetzt ist sie 17, hat die weiterführende Schule abgeschlossen und wird im Herbst an einer Hochschule in Bethlehem mit dem Studium beginnen. Tochter Zeina, die unter Drüsenfunktionsstörungen leidet, wird wenn immer nötig in der Endokrinologie-Sprechstunde des Kinderspitals betreut.

Auch mit Karmel fühlt sich die Familie im Kinderspital mit seiner genauso breiten wie einfühlsamen pädiatrischen Fachkompetenz bestens aufgehoben. Sie kommt, wann immer die Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst einer Überweisung zustimmen. Wenn staatliche Stellen bestimmte Leistungen wie etwa Labortests nicht übernehmen, sind die Odehs dankbar für die finanzielle Unterstützung vom Caritas Baby Hospital.

Bis zum Ausbruch des Gazakriegs arbeitete der Vater, ein ehemaliger Angehöriger der palästinensischen Sicherheitskräfte, regelmässig in Israel. Seit dem 7. Oktober 2023 ist das nicht mehr möglich. Jetzt hält er sich und die Familie mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser.

Mitleid unerwünscht

Trotz der finanziellen Belastung bleibt die Liebe zu Tochter Karmel unerschütterlich. Für ihre Familie ist sie ein Licht, das jeden Tag heller macht. «Als ich klein war, hatten wir ein Kind in der Nachbarschaft, das auch mit Down-Syndrom geboren wurde. Seither mag ich Down-Kinder, sie haben ein besonderes Charisma», sagt Amal Odeh, mit einer fröhlich glucksenden Karmel auf dem Schoss.

Die palästinensische Gesellschaft geht in den letzten Jahren verständnisvoller mit Menschen mit Trisomie 21 um als früher. Dennoch erlebt die Familie Odeh weiterhin Vorurteile: «Menschen ausserhalb der Familie haben uns geraten, niemandem davon zu erzählen, dass wir ein Down-Kind haben. Aber wir wollen unser Kind nicht verstecken.»

Amal ärgert sich über mitleidige Kommentare anderer Menschen: «Etwa, wenn sie mir sagen, dass es ihnen für mich leidtut, dass ich ein Kind mit Down-Syndrom habe – wir sind stolz auf Karmel!»

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