«Fussball und ich? Das ist eine wunderbare Geschichte!»

«Fussball und ich? Das ist eine wunderbare Geschichte!»


Blickpunkt Bethlehem, Nr. 64 - Interview

Foto: © Meinrad Schade

In Bethlehem aufgewachsen hat Honey Thaljieh (38) mit Freundinnen das erste Frauenfussball-Team im Westjordanland gegründet und wurde Captain der palästinensischen Nationalmannschaft. Sie studierte in Bethlehem Betriebswirtschaft und schloss später in Europa das Fach Sport-Management mit einem Master ab. Seit 2012 arbeitet Honey Thaljieh in der Kommunikationsabteilung des Weltfussballverbandes (FIFA) in Zürich. Was bedeutet ihr der Sport und warum ist es wichtig, dass Frauen in Palästina Fussball spielen?

 

Wann haben Sie Ihre Passion für Fussball entdeckt?
Ich sah als Kind die Buben in den Gassen in unserem Quartier in Bethlehem Fussball spielen und wollte mitmachen. Das Spiel, das Dribbeln mit dem Ball, das Zusammensein haben mich fasziniert – ich wollte mitspielen und einfach Spass haben. Fussballspielen hat mich als Kind glücklich gemacht.

Wie hat Ihre Familie reagiert?
Mein Vater wollte es mir verbieten: Weil ein Mädchen nicht Fussball spielt, weil er Angst hatte, dass ich mich verletzen könnte, weil er meinte, ich hätte später einen Makel als Frau. Seine Argumente überzeugten mich nicht und weckten erst recht meine Lust weiterzuspielen. Ich war ein rebellisches Kind.

Fussball hat für Sie auch etwas mit Rebellion zu tun?
Vor allem als ich älter wurde, wurde mir das bewusst. Frauenfussball ist weit mehr als ein Spiel. Es ist die Forderung nach Gleichheit und Gerechtigkeit, nach Befreiung und Selbstbestimmung – und Ausdruck der Hoffnung auf eine gute Zukunft für Frauen.

Besonders für Frauen in Palästina?
Ja klar, und ich will mit meinem Engagement für den Frauenfussball auch Vorurteile widerlegen und ein stereotypisches Bild von palästinensischen Frauen in Frage stellen. Ich will zeigen, dass wir Energie und Freude am Leben haben, dass wir Spass haben, dass wir etwas verändern wollen und dafür kämpfen.

Inwiefern sind Sie auch Vorbild für andere Frauen?
Ich bin ein Vorbild für junge Mädchen und ich bin stolz darauf. Ich selber war noch allein und hatte keine weiblichen Vorbilder. Der Fussball hat mich von den Gassen in Bethlehem auf die Weltbühne der FIFA und in die Schweiz gebracht. Es ist eine wunderbare Geschichte, der Fussball und ich.

Wie erhalten Frauen im Fussball mehr Anerkennung?
Frauenfussball ist als Sport inzwischen angesehen. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass er nun auch finanziell interessant wird. 2019 konnte die Frauenfussball-WM erstmals kostendeckend realisiert werden und bei der WM 2023 in Neuseeland und Australien rechnen wir gar mit einem Gewinn.

Was sind heute Ihre Träume?
Dass die palästinensische Fussballmannschaft sich für eine Weltmeisterschaft qualifiziert. Was mich jetzt schon sehr freut und stolz macht, ist dass Palästina als vollwertiges Mitglied bei der FIFAs anerkannt ist – in der Politik fehlt diese Anerkennung noch. Insofern ist Fussball auch wegweisend.

 

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