
Blickpunkt Bethlehem, Nr. 61 - Thema
Fotos: © Marian Nasser
Klara und ihr Mann freuten sich riesig auf ihr drittes Kind. Doch während der Schwangerschaft wurde beim Baby ein Loch im Zwerchfell festgestellt. Die Mutter, selbst Krankenschwester, wusste sofort, dass der Familie eine schwierige Zeit bevorsteht.
Ende Mai wird Michael ein Jahr alt. Fast die Hälfte davon hat er in Spitälern verbracht. Durch ein Loch im Zwerchfell war der Darm in den Brustraum gedrungen. Daher konnte sich ein Lungenflügel nicht richtig entwickeln. Sofort nach der Entbindung in Hebron wurde der Junge im dortigen Spital operiert. Doch auch nach vier Wochen in der Klinik zeigten sich kaum Fortschritte im Genesungsprozess.
Aus Sorge um das Leben ihres Sohnes drängte seine Mutter Klara darauf, dass Michael ins Kinderspital nach Bethlehem verlegt wird. Sie arbeitet dort als Krankenschwester und wusste, dass ihr Sohn dort eine Chance haben wird, von der künstlichen Beatmung loszukommen, was in Hebron bisher noch nicht gelungen war. Wenig später wurde Michael auf die Intensivstation des Caritas Baby Hospitals gebracht.
Geduld und Mitgefühl
«Als Pflegefachfrau begreife ich, was solch eine Erkrankung bedeutet. Ich hatte unglaublich viel Angst», erzählt die 27-Jährige. Oft bereute sie die Entscheidung, Krankenschwester geworden zu sein, weil sie mehr von den medizinischen Vorgängen verstand, als ihr lieb war. Als sie Michael das erste Mal im Spital selbst den Schlauch für die Magensonde legen sollte, weinte sie und holte eine Kollegin zu Hilfe – obwohl sie genau wusste, wie es geht. «Wenn es dein eigener Sohn ist, den du da behandelst, ist es etwas ganz anderes», erinnert sich die Mutter von drei Kindern.

Nach vier Monaten konnte der Kleine das Kinderspital Bethlehem endlich verlassen. Klara pflegt ihren Sohn nun zu Hause, hat unbezahlten Urlaub genommen. Neben dem Kinderbettchen stehen Infusionspumpe, Sauerstoffgerät und eine Kamera. Diese überträgt ein Bild von Michael auf den Fernseher im Wohnzimmer. «So können die Verwandten ihn sehen, wenn sie zu Besuch kommen.» Aus Angst vor einer Ansteckung mit Viren wird Michael noch weitgehend abgeschirmt. Zugang zum Zimmer haben nur die Eltern und die kleinen Geschwister. Immer mit Maske. Selbst die erst zweijährige Maria weiss, dass sie auf ihren kleinen Bruder aufpassen muss. «Als Familie sind wir durch die Krankheit sehr gefordert. Wir müssen immer darauf achten, dass die anderen beiden Geschwister nicht zu kurz kommen», sagt die Mutter.

Nach der langen Isolation
Klara kümmert sich fast rund um die Uhr um Michael. Ihr Mann unterstützt sie. Nachts ist er alle zwei Stunden zuständig, dann wieder Klara, dann wieder er … Klaras Schwester ist ebenfalls ausgebildete Pflegerin, die im Notfall einspringen und auf den Jungen aufpassen kann. Die Grossmutter des Kleinen traut sich die Versorgung mit Sauerstoff und Magensonde nicht länger als eine Stunde zu.
Auch wenn die Situation der Familie viel abverlangt, herrscht optimistische Stimmung. In ein oder zwei Jahren habe sich alles ausgewachsen, prognostizieren die Ärzte. Momentan entwickelt sich Michael gut, aber er braucht noch viel Hilfe. Darüber hinaus ist seine gesamte Entwicklung leicht verzögert. Daher beginnt er bald mit frühkindlicher Physiotherapie im Caritas Baby Hospital. Regelmässig tauscht sich Klara mit dem Lungenspezialisten des Kinderspitals aus und geht dort zur Nachkontrolle. Auf den Sommer hin, so heisst es, könne die lange Isolation endlich gelockert werden. «Ein Lichtblick», freut sich die Mutter. Sie schwärmt: «Endlich mal wieder mit Freundinnen einen Kaffee trinken oder mit den Kindern draussen etwas unternehmen – das ist wirklich eine grossartige Vorstellung.» Was sie dann als Erstes mache? «Zusammen in die Kirche gehen und dann bei meinen Eltern ein grosses Familienfest feiern. Das steht traditionsgemäss schon lange an.»
Muttertagsgeschichte
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Foto: © Meinrad Schade